Ein anonymer Gastbeitrag aus der Schülerschaft. Der Autor / Die Autorin ist der Redaktion bekannt.

Liebe Eltern – bitte verstehen Sie uns!

Wir sind Teenager. Da steckt man fest. Du bist kein richtiges Kind mehr, aber auch kein richtiger Erwachsener. Wir werden aber fast immer wie welche behandelt. Wie Kinder oder Erwachsene. Manche Eltern sehen in uns immer noch das kleine Mädchen im Prinzessinnenkleid oder den kleinen Jungen im Piratenkostüm. Andere Eltern denken, wir fangen morgen unseren Job als Arzt an, haben zuvor einen Abi-Schnitt von 1,0 hingelegt und schon sieben Kinder in die Welt gesetzt.          
Doch so wollen wir nicht gesehen werden. Wir sind Teenager. Wenn es doch schon einen Begriff für diese Zeit zwischen Kind und Erwachsenen gibt, wieso sollte man nicht auch anders behandelt werden? 

Ich glaube, wir konnten es ja alle nicht erwarten, als kleines Kind endlich Teenager zu werden, danach 18 und dann ein vollwertiger Erwachsener. Unsere Eltern haben uns immer gesagt: „Wenn du ein Teenager bist, dann wird es die beste Zeit deines Lebens werden. Gefüllt mit Erinnerungen, Aufregung, Freude, viele Freunde, Spaß etc.“, aber irgendwie kommt alles anders.        

 Je älter wir werden, desto mehr Probleme kommen auf und zu. Je älter wir werden, desto mehr hassen wir uns, die Leistungen, die wir erbringen, weil nichts gut genug ist und unsere Unsicherheiten wachsen stetig. Je älter wir werden, desto mehr Weltschmerz müssen wir erleiden und desto mehr verstehen wir, wie viel Grausames es in der Welt gibt. Es fühlt sich alles so überfordernd an. Es fühlt sich an, als würde eine Dampfwalze uns überrollen und wir können danach nicht mehr aufstehen und nach vorne sehen. Niemand interessiert es doch eigentlich, wie es uns geht, oder? 

Alle Menschen leben doch eh aneinander vorbei, jeder bringt seinen öden Alltag zu Ende, geht schlafen und dann fängt alles von vorne an. Unsere Lehrer: alles, was sie interessiert, ist doch nur, dass wir nicht sitzen bleiben. Unsere Eltern interessiert es nur, wie gut wir in der Schule sind, wie viel wir im Sport oder anderen Hobbys geben können und wie lang es dauert, bis wir an unsere Grenzen kommen.
Wir sollen alles so hinnehmen, wie es ist. Das Schulsystem, die Arbeit, das Umfeld, uns selbst und einfach mit dem Leben fortfahren. 
Als wir klein waren, konnten wir so laut weinen, bis wir unsere gewünschte Aufmerksamkeit bekommen haben. Wir bekamen den Trost unserer Eltern, die Aufmerksamkeit Anderer und fühlten uns dann wertgeschätzt.

Aber jetzt, je älter wir werden, desto leiser weinen wir. Wir wollen nicht, dass uns jemand hört, wir wollen nicht, dass man über uns urteilt, denkt, wir machen das für Aufmerksamkeit, weil wir nicht über unsere Gefühle sprechen können, wir wollen keine Lebensweisheit unserer Eltern über zwei Stunden eingetrichtert bekommen. Und das wegen Kleinigkeiten, die uns in dem Moment riesig erscheinen: ein Junge, der Schluss gemacht hat, ein Mädchen, das uns betrogen hat, Make-up, das Schönheitsideal, Geld, falsche Freunde, Stress, Schule oder die Erwartungen von Freunde und Familie. Für unsere Eltern die einzige Erklärung: das Handy. Sie sehen es nicht oder wollen es nicht sehen, dass ihre Kinder verzweifeln. Sie haben sich in ihrer Jugend sicher nicht anders gefühlt, aber meinen, es würde schon vorbeigehen. Die Eltern denken, ihre Kinder haben „gerade ihre Phase“, sie werden sich schon wieder beruhigen und klarkommen. Manche tun das in der Tat, jedoch kommen die meisten nicht allein klar.         

Psychische Krankheiten, Angstzustände und sogar Suizid, die vor allem während der Corona-Pandemie zugenommen haben, sind der Beweis, dass unsere Gefühle ernst genommen werden müssen. Wir wollen doch alle wieder Kinder sein, am liebsten nicht mit Problemen konfrontiert werden und Unterstützung von unserem Umfeld erhalten, besonders von den Eltern und Lehrern. Das würde vielen helfen.  Ich und alle in meinem Alter wissen, wir müssen erwachsen werden, aber wir würden viel lieber liebevoll und behutsam ins Erwachsenenleben gesetzt werden als ins endlose Meer von Arbeit, Überforderung, Stress und Verzweiflung geworfen zu werden.

      Deshalb hier mein Appell an alle Eltern: Bitte erziehen Sie ihr Kind so, wie Sie vielleicht nicht erzogen wurden. Versuchen Sie Zuneigung, Liebe und Wärme zu geben, denn wenn Ihr Kind dies nicht erfährt, wird es dessen eigenen Kindern auch keine Liebe bieten können. Bitte schätzen Sie jeden Moment, den Sie mit Ihrem Kind haben, bieten Sie in jeder Lebenslage Unterstützung, so weit es geht, denn egal, wie klein das Problem für Sie erscheinen mag, Ihr Kind ist in dem Moment überfordert. Geben Sie Ihrem Kind das Gefühl, nach Hilfe fragen zu können und gehört zu werden. Bitte behandeln Sie Ihre Kinder so, wie Sie behandelt wurden oder gerne behandelt worden wären. Selbst die Kleinkinder und Kinder werden Ihnen danken, aber am meisten wir. Die Teenager.

~ anonym

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