In diesem Interview erfahrt ihr ein wenig über das Leben, den Alltag und die Aufgaben unseres neuen Schulleiters. Mit unseren beiden Schülerzeitungsredakteuren, Bence Ackers und Vivienne Feller, teilt er seine Ansichten zu Schule und Bildungssystem, sowie seine Ideen und Vorschläge zur Verbesserung unseres Schulalltages.

SZR: Stellen Sie sich doch erstmal für alle vor, also wie alt Sie sind, wie Sie zum Beruf des Schulleiters gekommen sind usw. Eben ein paar grundlegende Informationen zu sich.

Herr Nowack: Also, mein Name ist Andreas Nowack, ich bin 48 Jahre alt. Und ich habe hier in Pfullendorf mein Abitur gemacht, vielleicht wisst ihr das ja. Das war 1993, damals war das Gymnasium noch in der Stadt. Danach habe ich dann in Tübingen studiert. So richtig vorstellen konnte ich mir eigentlich nie, dass ich ein Mal Schulleiter werde, aber in Mengen war der Schulleiter einfach sehr offen für Leute, die sich irgendwie in der Schule engagieren wollten. Es gab dort einfach viele Betätigungsfelder, ein kleines Kollegium, aber trotzdem müssen viele Aufgaben erfüllt werden. Dann war ich eben Sekretariatsassistent, ähnlich wie hier Herr Golz und Herr Krüger, wobei ich die Vertretungen gemacht und bei den Stundenplänen mitgeholfen habe. Später habe ich dann auch Sozialpraktikum an der Schule geleitet und mich einfach in mehreren Bereichen bezüglich der Schulentwicklung mitengagiert. In Mengen war der Herr Prinz ja bereits mein Vorgänger und als er dann an diese Schule gewechselt hat, lief alles auf meine Person als Nachfolger raus, also habe ich dann Stundenpläne geschrieben, Zeugnisse erstellt usw. Dadurch ist man dann natürlich automatisch in der Schulleitung mit drin. Mein Chef in Mengen hat mir zusätzlich ermöglicht, in verschiedenste Prozesse hineinzublicken, wie Oberstufenberatung. Bei uns lief das alles immer im Team ab, dadurch dass es bei uns eben nicht so viele Abteilungsleiter gab, wie es sie hier gibt.

Irgendwann war dann auch klar, dass Frau Ebinger in Pension geht, auch wenn ich sagen muss, dass ich die Stelle nicht angenommen hätte, wenn mein Sohn noch auf der Schule gewesen wäre. Meiner Meinung nach gerät man da schnell in einen Interessenskonflikt, wenn man eigene Kinder an der Schule hat. Ehrlich gesagt finde ich es jetzt schon etwas problematisch, dass ich doch so viele Schülerinnen und Schüler z.B. aus dem Sportverein kenne. Jedenfalls war das für mich der perfekte Zeitpunkt, um etwas Neues zu machen. Großer Vorteil für mich war natürlich auch, dass mein ehemaliger Chef mich regelmäßig auf Fortbildungen zu Themen wie Schulrecht, Teambuilding oder Rhetorik geschickt hat, einfach deshalb, weil er das für seinen Stellvertreter wichtig fand. Tatsächlich stand aber für mich nie ein konkreter Plan von wegen dann und dann will ich das und das werden. Wäre die Stelle in Meßkirch oder Sigmaringen frei geworden, hätte ich sie vermutlich nicht angenommen, es war einfach ein glücklicher Zufall, dass hier in Pfullendorf eine Stelle frei wurde, denn ich hab mich auch in Mengen super wohlgefühlt.

SZR: Und was war denn so Ihr Traumberuf, als Sie noch Schüler waren?

Nowack: Als ich noch Schüler war, wollte ich Förster werden, aber vielleicht war die Angst vor dem Hund dann doch zu groß. Falls es euch interessiert, ich bin auch heute so als Ausgleich noch sportlich aktiv, auch wenn man es mir nicht direkt ansieht. Ich gehe z.B. gerne schwimmen oder Fahrrad fahren, zurzeit laufe ich gerne und halte mich einfach gerne in der Natur auf, auch wenn eher über den Sport. Auch als Schüler war ich sportlich begeistert, eigentlich relativ nah am Leistungssport… Aber bezüglich des Berufs konnte ich einfach aufgrund der Tatsache, dass ich mich gerne draußen in der Natur aufhalte, gut vorstellen was in Richtung Förster zu machen.

SZR: Und wie sind Sie dann zum Entschluss gekommen, Lehrer zu werden?

Nowack: Ich hatte damals in Gemeinschaftskunde einen sehr guten Lehrer, der mich für das Fach Politik und Gemeinschaftskunde begeistern konnte und Deutsch mochte ich sowieso schon ganz gern. Ich hab dann nämlich das studiert, was mir Spaß gemacht hat. Als Alternative gab es noch die Möglichkeit in den Journalismus zu gehen, aber nach meinem Studium und mit Beginn des Referendariats ist mir klar geworden, dass es mir ganz gut liegt vor Klassen zu sprechen und zu unterrichten.

SZR: Also unterrichten Sie Deutsch und Gemeinschaftskunde, aber keinen Sport?

Nowack: Genau, ich hab zwar ganz lange eine Fußball-AG geleitet und war bei “Jugend trainiert für Olympia”, aber tatsächlich unterrichtet habe ich Deutsch, Gemeinschaftskunde, Wirtschaft und Ethik.

SZR: Waren Sie denn auch als Trainer im Verein tätig?

Nowack: Naja, als mein Sohn klein war, hab ich im SCP als Betreuer mitgeholfen, aber Trainer war ich nie. Früher hab ich im DLRG Jugendliche ausgebildet und hab daher etwas Erfahrung mit der Jugendarbeit, aber aktiv Trainer war ich nie.

SZR: Was hat Sie davon überzeugt, die Stelle in Pfullendorf anzunehmen, obwohl Sie sich in Mengen bereits sehr wohlgefühlt hatten?

Nowack: Ich hab mich ganz lange sehr schwergetan, eine Entscheidung zu treffen, aber es ist eben doch so, dass wenn man fast zehn Jahre lang immer dasselbe macht, dann läuft sich das irgendwann auch tot. Dazu kommt ja auch, dass man als Schulleiter noch etwas mehr Gestaltungsmöglichkeiten hat als der Stellvertreter. Und dann gilt es einfach auszuprobieren, ob einem der Job liegt. Ich bin ja auch noch in meiner Probierphase, aber so kam dann der Entschluss die Stelle anzunehmen….auch wenn die Kollegen in Mengen alle etwas traurig wegen der Entscheidung waren. Im Grunde war es eben doch vor allem das Gefühl, dass ich mich selbst nochmal herausfordern kann und die Gelegenheit einfach sehr günstig war, weil ich sonst in Mengen vermutlich weiterhin die selben Aufgaben gemacht hätte, wie die Jahre zuvor auch schon und so konnte ich meinem Leben einfach nochmal einen neuen Dreh geben.

SZR: Sie sagten ja, dass Sie sich selbst nochmal herausfordern möchten. Was wären denn Dinge, die Sie an der Schule ausprobieren möchten, bzw. was haben Sie für diese Schule geplant?

Nowack: Für den Anfang möchte ich gar nicht viel neu machen. Mein Plan ist es, mir einen Eindruck zu verschaffen und zu sehen, was an mich hingetragen wird. Dabei merkt man ja auch, wenn bestimmte Dinge nicht so laufen, wie gewünscht und man selbst womöglich noch etwas nachsteuern muss. Zusätzlich gibt es natürlich auch Dinge, die von außen an die Schule gebracht werden, um die es sich auch zu kümmern gilt. Was mir aber jetzt schon aufgefallen ist, ist, dass die Kollegen hier sehr dankbar dafür sind, dass jemand auf sie zu geht und sich erkundigt, was ihnen denn am Herzen liegt, dass sie in Entscheidungen stärker miteinbezogen werden und sich der Schulleiter transparent und kommunikativ ist. Das gilt natürlich genauso den Schülern gegenüber, also, dass ihnen signalisiert wird, dass sie mit jeglichen Anliegen auf mich zukommen können. Als zweiten Punkt ist mir auch sehr wichtig, dass die Kollegen sich ermutigt fühlen, auch ihre eigenen Stärken miteinzubringen und Ideen umzusetzen.  Wenn jemand etwas machen will, dann sollte man ihn, meiner Meinung nach, nicht ausbremsen, sondern ihm den Rücken stärken.

SZR: Und wie steht es um die Gerüchte bezüglich der strengeren Hausordnung?

Nowack: Also es ist wirklich verrückt, wie schnell sich solche Dinge herumsprechen. Als ich hierherkam ist mir aufgefallen, dass beinahe jeder Schüler in jeder Pause sein Handy zückt und das in allen Klassen. Da ich von einer Schule komme, auf der das Handy vollständig verboten war bzw. immer noch ist, war ich natürlich total erstaunt darüber, dass das hier gang und gäbe ist. Also habe ich mich bei den Lehrern erkundigt, die mir auch nur bestätigt haben, dass sich das in gewisser Weise so eingebürgert hat, obwohl es sie selbst eigentlich auch total stört. Daraufhin habe ich auch mit einigen Schülern geredet, inwieweit sie denn über die Regelung informiert sind und daraus hat sich dann ergeben, dass insgesamt eine Unklarheit herrscht, obwohl die Hausordnung die Handynutzung ausdrücklich verbietet. Zusätzlich habe ich dann auch mit dem Elternbeirat gesprochen, um mir deren Position anzuhören, sodass ich ein Meinungsbild von Schülern, Lehrern und Eltern hatte. Die SMV hat in ihrer Sitzung sogar einen sehr vernünftigen Vorschlag dazu entwickelt. Dann bin ich mit diesen Informationen in die GLK gegangen und habe das Thema angesprochen. Als Basis war mir natürlich die aktuelle Hausordnung wichtig, um einen Ausgangspunkt zu schaffen und von da aus dann weiterzuarbeiten. Die GLK hat sich dann schnell darauf geeinigt, dass die Klassen 5 bis 8 nicht an ihr Handy dürfen und die Kursstufe nur im Oberstufenraum und zu unterrichtlichen Zwecken. Dann blieben uns also noch Klasse 9 und 10. Wir kamen dann nach langer Diskussion zu dem Schluss, dass auch in diesen Stufen nur zu unterrichtlichen Zwecken das Handy benutzt werden darf. Zusätzlich wurde ja ein Beschluss zum Verlassen des Schulgeländes in der Mittagspause erstellt, durch welchen die Schülerinnen und Schüler der zehnten Klasse mit Einwilligung ihrer Eltern die Mittagspause in der Stadt verbringen dürfen. Selbstverständlich dürfen sie dort dann auch ihr Handy benutzen. Also kurz: Das Handy darf in der Schule nur zu unterrichtlichen Zwecken benutzt werden, mit Ausnahme der Kursstufe, die ihre Handys im Obi verwenden darf.

SZR: Man muss aber auch sagen, dass das Handy mittlerweile Teil unseres Alltags geworden ist und einen ersten Schritt in Richtung Digitalisierung der Schule bietet, oder sehen Sie das anders?

Nowack: Selbstverständlich ist das Handy beinahe unverzichtbar, aber ich persönlich gerate da in einen Konflikt, wenn es eine Hausordnung gibt, das Kollegium und viele Eltern sich wünschen, dass ich in diesem Punkt eingreife, weil sich keiner daran hält und ich als neuer Schulleiter dann die Regeln so umkrempeln muss, dass alle zufrieden sind. Daher mussten wir uns auf einen neuen Status Quo bei den Punkten Handy und Mensa einigen. Trotzdem will ich sagen, dass diese Entscheidungen nicht in Stein gemeißelt sind. Im Fach GK unterrichte ich immer den Politikzyklus: Du hast ein Problem, schaffst Abhilfe und dann kommt es dennoch immer wieder auf. Wir warten jetzt einfach mal ab, wie sich alles entwickelt, aber momentan bleiben wir bei der Hausordnung.

Aber jetzt nochmal zur Digitalisierung: In diesem Punkt ist an dieser Schule wirklich schon viel gemacht worden, aber man kann manches noch besser machen, und auch da hab ich bereits erste Schritte eingeleitet. Zum einen gibt es ein anderes Stundenplantool, welches den Stundenplan für Schüler, Lehrer und Eltern online inklusive Vertretungen einsehbar machen würde, weshalb einige Lehrer in nächster Zeit auch auf Fortbildungen gehen werden. Zum anderen die Arbeit mit iPads. Ich kenne das von der Realschule hier in Pfullendorf bereits und ich will das auch hier umsetzen, dass Schülerinnen und Schüler ab der zehnten Klasse mit iPads arbeiten. Spätestens dann wird sich auch vermutlich die Handyregelung nochmal ändern, da der Zugriff auf Daten einfach anders gehandhabt werden muss.

SZR: Wir haben ja schon iPads an der Schule, nur werden diese ähnlich wie die Laptops oder Computerräume nur selten benutzt. Würden die iPads dann auch für zu Hause verfügbar gemacht werden?

Nowack: Ich werde nächste Woche auch auf einer Schulleitertagung zum Schwerpunktthema Digitalisierung sein, aber mir schwebt schon vor, dass jeder Schüler irgendwann ein iPad bekommt oder sich eins privat kauft und das dann entweder als Heftersatz verwendet wird oder tatsächlich auch alle Lizenzen für Schulbücher sich darauf befinden, sodass die Schüler dann nur noch mit dem iPad in die Schule kommen müssen. Aber wie gesagt, da stehen wir gerade noch recht am Anfang der Entwicklung. Man muss aber dazu sagen, ich bin gerade erst sieben Wochen an dieser Schule und bemühe mich wirklich, viele Dinge, die mir und den Kollegen wichtig sind, anzupacken und zu verändern, wie z.B. auch unsere Homepage, die nach langem wieder aktualisiert wurde.

SZR: Um die Digitalisierung bei uns im Haus voranzutreiben, bräuchte man dafür ja erstmal eine stabile Internetverbindung, die wir aktuell ohne Zweifel einfach nicht aufweisen. Haben Sie sich dazu schon Gedanken gemacht?

Nowack: Tatsächlich ist das kein hausinternes Problem. Das Land Baden-Württemberg hatte eine Umstellung des Anbieters, der einige Probleme verursacht, die wir beim vorherigen Anbieter nicht hatten. Dazu kommen natürlich auch Dinge, die bei uns nicht ganz optimal sind oder manchmal nicht funktionieren, weswegen das Netz teilweise abstürzt. Aber mit Herrn Rettich haben wir jemanden, der sehr bemüht ist, hier alles zum Laufen zu bringen und es auch am Laufen zu halten. Und auch die Stadt ist sehr bemüht, Abhilfe zu schaffen… Aber wir sind eine Schule – kein großes Wirtschaftsunternehmen mit grenzenlosen Ressourcen, da würde Vieles dann schneller gehen

SZR: Was sehen Sie als Ursache dafür, dass die Anzahl der Schüler an unserer Schule immer weiter schrumpft?

Nowack: Aktuell versuche ich die Schule noch zu verstehen, weswegen ich mir jegliche Meinungen anhöre, mit den Kollegen Kennenlerngespräche führe usw. Dabei werden natürlich mögliche Ursachen für solche Entwicklungen genannt, teilweise auch welche, die nicht für eure Ohren bestimmt sind, aber es gibt einfach auch bestimmte Ortschaften, wo die Leute sagen: “Geh nach Wilhelmsdorf, die Entfernung ist in etwa gleich und Pfullendorf gerade einfach weniger attraktiv”,  und genau daran möchte ich etwas ändern. Mit dem Schulleitungsteam bin ich da nämlich auch in der Besprechung, wie wir uns wieder besser präsentieren könnten, sodass wir unsere Stärken wieder in den Vordergrund stellen. Gerade weil wir eigentlich sehr aktiv sind, vor allem im sportlichen Bereich oder mit den Angeboten in der Mittagspause, aber kaum etwas davon tatsächlich publik gemacht wird. Aber all das sind Prozesse, die ihre Zeit brauchen. Davon mal abgesehen gab es aber auch Entwicklungen, wie die Umstellung von G9 auf G8, die nicht in der Hand unserer Schule lagen, wodurch natürlich eine gesamte Stufe an Schülern weggeblieben ist. Zudem haben die örtlichen Grundschulen ebenfalls einbrechende Schülerzahlen, also ist es uns ja gar nicht möglich die Zahlen aufrechtzuerhalten.

SZR: Sie hatten vorhin bereits erwähnt, dass das Verlassen des Schulgeländes in der Mittagspause ab jetzt auch der zehnten Klasse erlaubt ist. Dadurch wären die Klassen 5 bis 9 ja in gewisser Weise dazu verpflichtet, die Mensa zu besuchen, oder?

Nowack: Also verpflichtet sind sie nicht, die Mensa ist ein Angebot der Schule, von dem wir uns natürlich erhoffen, dass es viele in Anspruch nehmen, aber Pflicht ist es nicht.

SZR: Was wäre denn Ihrer Meinung nach eine Möglichkeit, um dieses Angebot attraktiver zu gestalten?

Nowack: Aktuell bin ich im Gespräch mit den  Damen, die bei uns in der Mensa arbeiten, denn auch da hat es einige Umbrüche gegeben. Zudem habe ich mir die Kritik der Schüler in Bezug auf Auswahl und Portionsgröße angehört. Darunter fallen dann Punkte wie die Erweiterung des Sortiments um weitere (vegetarische) Snacks oder die Möglichkeit sich Nachschlag zu holen, da ihnen die Portionen nicht ausreichen. Auch das sind Dinge, die ich ähnlich sehe und die man beheben kann. Nachschlag wird nämlich bereits angeboten, den kann man sich ab 13:35 Uhr holen, weitere Snacks werden einem auf Nachfrage nochmals zubereitet und die Option vorzubestellen gibt es auch, man müsste den Damen morgens nur Bescheid geben. Ich denke aber, dass sich in der Mensa in nächster Zeit auf jeden Fall noch etwas tun wird.

SZR: Mal etwas ganz anderes: Laut der Pisa-Studie schneiden Schüler und Schülerinnen in Deutschland immer schlechter ab, woran könnte das Ihrer Meinung nach liegen?

Nowack: In der Stuttgarter Zeitung war dieses Thema erst kürzlich ganz genau aufgedröselt worden. Laut ihnen sind nämlich zwei Faktoren ausschlaggebend für diese Entwicklung. Zum einen werden die Schulen mit Aufgaben überhäuft, die es so früher nicht gab, wie z.B. die Aufgabe zu Inklusion von Personen mit Einschränkungen in regulären Schulen. An sich ist das ein toller Ansatz, nur kostet diese Inklusion ziemlich viel Zeit, vor allem Unterrichtszeit, denn natürlich fokussiert man sich dann auf diese eine Person im Raum und hat dann weniger Zeit für die anderen Schüler/-innen, die womöglich auch Hilfe brauchen. Das wäre der erste Punkt. Der zweite Punkt ist Corona. Es wurde festgestellt, dass die Grundschüler nicht richtig lesen und schreiben können und ihre Aufmerksamkeitsspanne kaum ausreichend für konzentrierten Unterricht ist. Trotzdem werden diese auf weiterführende Schulen, auch zu uns aufs Gymnasium geschickt und bekommen die selben Aufgaben wie die Jahrgänge zuvor auch. Dabei sind die Kollegen der Meinung, dass sie diesen Rückstand eigentlich kaum nachholen können. Zusätzlich haben 49 % der Schülerinnen und Schüler in Baden-Württemberg, sofern die Daten in der Stuttgarter Zeitung stimmen, Migrationshintergrund. Diese Menschen haben teilweise einen ganz anderen Bildungshintergrund und es wird für sie schwierig, wenn Deutsch nicht die Muttersprache der Eltern ist.

Gleichzeitig herrscht ein akuter Lehrermangel in Deutschland, während die Klassen an sich immer größer werden, weshalb den wenigen Lehrern, die wir noch haben, immer mehr abverlangt wird.

SZR: Und was wären mögliche Lösungsansätze, um den Rückstand durch die Pandemie aufzuholen?

Nowack: Wenn man sich anschaut, was wir hier alles für Programme bieten, um die Schüler zu unterstützen, ist da kaum mehr zu machen. In Mengen gab es auch eine Hausaufgabenbetreuung, aber im Vergleich zu dem, was hier an der Schule angeboten wird, wie Lern Coaching, der Mittagsbetreuung und dem Programm “Lernen mit Rückenwind“, sind wir hier hervorragend aufgestellt. Natürlich hängt es hier auch davon ab, wer diese Programme tatsächlich auch in Anspruch nimmt. Mir ist auch klar, dass z.B. ein Schüler in der achten Klasse eher wenig Lust drauf hat, aber in solchen Fällen müssen vielleicht auch die Eltern motivieren bzw. animieren, dass das Kind genügend Unterstützung bekommt.

SZR: Wäre die Einführung von G9 denn eine Möglichkeit, den Rückstand in Teilen zu überbrücken?

Nowack: So schnell geht das leider nicht. Es wurde vom Land ja auch ganz klar gesagt, dass G9 nicht wieder kommen wird. Und selbst wenn der Beschluss fallen würde, müssten wir vermutlich noch Jahre warten, bis es tatsächlich eingeführt ist, dabei benötigen die Grundschüler ja jetzt schon Hilfe. Bis dahin bleiben unsere aktuellen Programme, vor allem “Lernen mit Rückenwind” definitiv unsere besten Möglichkeiten, um eine Art Überbrückung zu schaffen.

SZR: Wäre eine spätere Selektierung der Grundschüler, z.B. nach der sechsten Klasse eine Möglichkeit größere Bildungslücken zu schließen? Und was halten Sie von Gemeinschaftsschulen?

Nowack: Ich denke nicht, dass es einen großen Unterschied machen würde, ob du nach der vierten oder nach der sechsten Klasse auf eine andere Schule geschickt wirst, denn auch nach der sechsten werden vor allem deine Eltern entscheiden, auf welche Schule du danach gehen wirst, daher ändert sich in diesem Aspekt relativ wenig. Ob ein Kind von den Eltern tatsächlich richtig eingeschätzt wird, ist dann wieder ein individuelles Problem, da die Eltern natürlich ein ganz anderes Bild von ihrem Kind haben, als der Lehrer es tut. Aber auch diese Entscheidung darf man nicht überbewerten, denn im Endeffekt gelten Klasse 5 und 6 auch bei uns weiterhin “nur” als Orientierungsstufe. Wenn man merkt, dass es dem Kind zu schwerfällt, kann man immer noch über einen Schulwechsel nachdenken. Und auch da zeigt sich wieder, dass man in der sechsten Klasse zu jung wäre, solche Entscheidungen rational zu treffen, denn da reicht es ja schon, dass der beste Freund die Schule wechselt, weswegen man auch wechseln möchte. Für den Schüler scheint das natürlich rational, aber das liegt eben genau daran, dass er noch zu jung ist, um seine Fähigkeiten korrekt einzuschätzen. Zudem hat die Selektierung ja auch klare Vorteile, denn wenn ich relativ früh die Schülerinnen und Schüler zusammennehme, die eine homogene Gruppe bilden und mit denen ich ein höheres Niveau fahren kann, wird diesen ja automatisch eine anspruchsvollere Ausbildung ermöglicht. Schaut man sich allein die Zahlen der Studienabbrecher an, die von Gymnasien kommen, sieht man, dass Studenten, die vom Gymnasium kommen und dort ihren Abschluss gemacht haben, seltener ihr Studium abbrechen als Studenten, die ihre Hochschulreife an einem beruflichen Gymnasium erworben haben. Zudem finde ich, dass man Kinder, die „begabter“ sind, als andere, nicht dadurch abbremsen sollte, indem man sie länger mit den Kindern unterrichtet, die weniger „begabt“ sind. Denn auch wenn sie weitere zwei Jahre auf der Grundschule bekommen würden, käme man am Ende vermutlich mit einem ähnlichen Resultat heraus.

Zum Konzept Gemeinschaftsschule: Ich verstehe, was die Leute gut daran finden und auch womit sie argumentieren, aber ich denke trotzdem, dass diese Bildungsunterschiede dabei nicht minimiert werden. Vor allem, weil auch hier die Entscheidung bei den Eltern liegt, auf welchem Niveau das Kind beschult wird.

SZR: Das Konzept von verschiedenen Niveaus innerhalb einer Klasse wird mittlerweile aber auch von anderen Schulen übernommen, wie der Real- und Werkrealschule hier in Pfullendorf. Was halten Sie davon?

Nowack: Das klingt natürlich super…für die Eltern. Für die Lehrer ist es natürlich mehr Aufwand, da sie in einer Klasse auf verschiedenen Ebenen unterrichten müssen, sodass alle gleich gut auf ihren Abschluss vorbereitet werden. Für die Schüler selbst macht es, glaube ich, kaum einen Unterschied, es hat vermutlich viel mehr mit dem „Image“ der Schule zu tun…

SZR: In dem Fall wären wir jetzt fertig. Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für uns genommen haben.