Von der Schülerzeitungsredaktion STAUFERWORLD

Das KI-generierte Bild, um das es in dem Interview geht: “théâtre d’opéra spatial” (Quelle: Discord-Kanal von Jason Allen)

Frage: Zunächst vielen Dank, dass ihr euch für dieses Interview zur Verfügung stellt. Ihr seid ja Kunstlehrer an unserer Schule, und darum habe ich euch heute eingeladen, um euch zu einem Vorfall zu interviewen, der sich letzten Sommer ereignet hat. Es geht um den Colorado State Fair, bei dem es auch einen Kunstwettbewerb gab, unter anderem in der Kategorie „Digital Art“. Jason Allen reichte dort ein Bild ein, das er mit der Künstlichen Intelligenz „Midjourney“ generiert hatte. Das hatte er auch so bei der Jury angegeben, aber die Jury dachte zuerst, das sei etwas Ähnliches wie Photoshop.  Ist es ja nicht, denn, diese KI generiert aus Stichworten Bilder, und dieses eingereichte Bild war wohl so gut, dass es den ersten Platz gewann. Nachdem der Jury durch einen Aufschrei in den sozialen Medien klargemacht wurde, was „Midjourney“ eigentlich ist, wurde Jason Allen der Preis zuerst aberkannt, dann aber wieder zuerkannt, weil es ja um „Digital Art“ ging. Als Zusatzinformation ist auch wichtig: Jason Allen hat an die 900 Bilder generieren lassen und bei diesem letzten hat er nochmals Details hinzugemalt. 

Hofmann: Stimmt, das ist schon mal eine wichtige Information!

Frage: Hier kommen wir auch schon zur ersten Frage: Wäre so etwas in euren Augen Betrug?

Hofmann: Nein, auf keinen Fall. 

Gebhard: Absolut nicht. Er hat ja völlig offengelegt, was er macht und ob das die Jury versteht oder nicht, bleibt erstmal dahingestellt. Außerdem ist das ein legitimes Mittel in der Kunst, den Zufall einzusetzen. Das haben auch andere Künstler schon gemacht, also von daher ist Allen nicht besonders innovativ. 

Hofmann: Der ist eigentlich gar nicht innovativ. Das wird in der aktuellen Kunst oft gemacht: es werden einfach Dinge genommen, hingestellt, selbst, wenn es nicht mal dein eigenes Produkt ist. Duchamp hat beispielsweise einfach ein Pissoir, ein Klo, hingestellt und hat gesagt, das ist Kunst. Das war zu einer Zeit, als das „revolutionär“ war, also etwas ganz Neues war. Er hat eben etwas Normales in einen anderen Kontext gestellt und damit zur Kunst erhoben. Und das ist in dem Fall hier mit dem Bild nichts Anderes. Er hat nur ein anderes Medium benutzt. Zudem er ja selber noch daran rumgefeilt hat. 

Gebhard: Und das Ding in der Kunst ist ja, dass man die nicht messen kann. Man kann keinen Qualitäts-Maßstab anlegen und sagen, er hat die und die Kriterien erfüllt, darum ist es ein gutes Kunstwerk, sondern das kommt durch Kontext, durch Zuschreibung, durch Austausch mit anderen. 
Kunst entsteht in der Kommunikation mit Menschen. Und auch, wenn eine Maschine als Zwischenstation eingeschaltet ist, ist das eine direkte Kommunikation zwischen Allen und seinen Betrachtern. 

Frage: Als es bekannt wurde, dass Allen dieses Bild mit Hilfe einer KI geschaffen und den ersten Platz bei diesem Kunstwettbewerb belegt hatte, gab es einen Aufschrei in den sozialen Medien. Viele Künstler, vor allem jene, die als Illustratoren arbeiten, haben Existenzängste. Der „Cosmopolitan“ hat beispielsweise ein Cover erstellen lassen unter der Zuhilfenahme einer solchen KI. Um etwas überspitzt zu fragen: Werden menschliche Künstler in Zukunft überflüssig?

Hofmann: Nein, auf gar keinen Fall. Denn es steckt ja auch bei dem Beispiel mit dem Cosmopolitan ein Mensch dahinter. Ich glaube nicht, dass irgendwann die Illustratoren überflüssig werden. Man müsste das tatsächlich mal gegenüberstellen, also was eine KI macht und was ein Illustrator macht. Das wäre sehr interessant, den Vergleich zu sehen. Ich glaube schon, dass der Illustrator nicht aussterben wird, aber natürlich wird es Medien geben, die auf eine KI zurückgreifen, weil es einfach kostengünstiger ist, weil es auch in Ordnung aussieht, ganz pragmatische Gründe werden das sein. Aber diesen Aufschrei gab es schon immer: Der Tod der Kunst. Als die Fotographie entstand, kam auch die Frage auf, braucht man Kunst überhaupt noch? Aber das 20. Jahrhundert war das Jahrhundert der Malerei. Also, ich denke nicht, dass menschliche Künstler überflüssig werden. 

Gebhard: Ich glaube, das grundlegende Missverständnis an der Sache ist, dass die Leute das Ergebnis vergleichen, dass sie das, was Illustratoren machen, mit dem, was die KI macht, vergleichen und nicht das sehen, was davor passiert ist, beziehungsweise, was hinter dieser KI stecken kann. Ich kenne mich jetzt nicht im Einzelnen damit aus, was die KI genau ist oder wie sie funktioniert, aber wie ich es bisher verstehe, ist es eine Maschine, die mit Daten gefüttert wird. Das heißt, das ist nicht das, was wir als Intelligenz oder gar menschliche Intelligenz betrachten. Es ist vielleicht eine Form von technischer Intelligenz, aber das ist etwas völlig anderes als das, was wir als Menschen tun können. Wir sind uns unserer Handlung bewusst und können deswegen Dinge produzieren, und zwar nicht nur als Reproduktion, indem wir auf andere Dinge zurückgreifen, die schon da waren, um jetzt ein Bild im Stile von xy zu malen, sondern indem wir komplett aus uns selbst heraus Dinge völlig neu erfinden. Das kann eine Maschine zum jetzigen Zeitpunkt nicht leisten. Das wird sie erst dann leisten können, wenn sie eine volle Persönlichkeit entwickelt. Und ob wir da jemals hinkommen, weiß ich nicht. 

Hofmann: Dafür bräuchte es den Emotionen-Chip von Data [aus „Raumschiff Enterprise“] (lacht). Nein, im Ernst. Man macht Erfahrungen, Gefühle, man scheitert. Das ist alles Teil eines Kunstproduktes, und das kann eine KI nicht leisten. Man kann die KI mit allen Bildern dieser Welt, mit allen Wörtern dieser Welt stopfen, aber da wird nur ein Mix herauskommen. Die Empfindungen, also dein seelisches Innenleben oder dein Unterbewusstsein, das in dir steckt, das kann die KI nie leisten. 

Gebhard: Genau, so eine echte Erfahrung, Lebenserfahrung, hat so eine Maschine einfach nicht. 

Hofmann: Deswegen gibt es da schon ein Kriterium: die Authentizität, oder auch Intensität, die man bei einem Kunstwerk spüren kann. Ich glaube schon, dass man das spüren kann, dass das bei solchen Bildern nicht vorhanden ist. Oder weniger vorhanden ist. Okay, bei dem besagten Bild ist es jetzt etwas Anderes, denn er hat ja daran noch etwas geändert. Das ist ja ein Eingriff in die KI, was er da gemacht hat. Damit wird er wieder künstlerisch tätig, allein wenn er schon die Figuren verschiebt, weil es einen Unterschied macht, ob die Figur da oder da steht, ob sie schwarze oder braune Haare hat oder wie im Original gar keinen Kopf hatte… wobei, das ohne Kopf fände ich gar nicht mal so schlecht. Aber hat ja selbst eingegriffen und etwas verändert. Es war zwar schon da, vorgefertigt, aber das ist ja auch das, was ein Künstler macht. Wir nehmen ja auch „vorgefertigte“ Dinge, die in unserem Kopf, in unserer Seele, in unserem Bewusstsein vorfinden, das reproduzieren wir und machen es sichtbar, sozusagen. Das macht Allen auch ein Stück weit. 

Gebhard: Das Interessante ist ja auch, dass er das selber realisiert, indem er unter seinem eigenen Namen antritt und das offenlegt und auch den Prozess offenlegt, wie er das gemacht hat. Es ist ja nicht so, dass er absichtlich versucht hat zu betrügen und die Leute zu täuschen und die KI anstelle eines Menschen zu setzen, sondern für ihn ist ganz klar: Das ist ein Werkzeug. 

Hofmann: Ja. wäre er tatsächlich so vorgegangen, hätte das Bild abgeliefert und gesagt, so, das habe ich jetzt gemacht… wie bei dem Affen, der ein Bild gemalt hat, das wird in die Galerie gehängt und man sagt: „Wow, das ist aber ein tolles Bild“ und hinterher kommt die Wahrheit ans Licht, dann verliert das Bild an Wert. Das hat er ja nicht gemacht. Das hat er offengelegt. Er spielt ja mit diesen Medien, Kunst zu machen. Das ist etwas völlig Legitimes. So wie ich einen Pinsel in die Hand nehme, nimmt er eben eine KI in die Hand, vereinfacht gesagt. 

Frage: Wo beginnt eurer Meinung nach in dem Fall die künstlerische Tätigkeit? Ist es schon bei der Eingabe dieser Stichworte in die KI oder ist es das erst, wenn man selbst am Bild noch eingreift und etwas verändert? Wo fängt in dem Fall das Künstlersein an? 

Gebhard: Das ist ein wenig so wie die Frage, ab wann beginnt das Leben? Man kann zwar Punkte ausmachen wie zum Beispiel: da hat er selber eingegriffen, aber im Endeffekt ist es die Summe, die ein künstlerisches Produkt sein kann. Er hat am Anfang klare Kriterien gehabt, was er sich zeigen lassen will, damit wahrscheinlich rumgespielt und geschaut, was kommt dabei heraus, dann dieser Auswahlprozess – welche Bilder taugen überhaupt was – und dann nochmal die Weiterbearbeitung. Diese drei Stationen zusammengenommen sind das, was sein Werk ausmachen und als Viertes noch, dass er es mit seinem Namen signiert. Dadurch wird es zu seiner Arbeit, indem er es sich aneignet. Das gibt es in der Kunst auch, dass man sich fremdes geistiges Eigentum aneignet und mit dem eigenen Namen unterzeichnet. Das könnte eine Strategie sein (lacht). Die Kunst selber hat Strategien und Mittel, um subversiver zu sein als das. 

Hofmann: Kann ich so unterschreiben. Du kannst auch Luftaufnahmen der Muster von Trampelpfaden machen. Das sind ja nicht deine Trampelpfade, aber du hast das Muster gesehen und fotografiert. Du hast ja an den Pfaden nichts gemacht, aber das Foto mit diesem abgebildeten Muster ist dein Werk. Und das, was Allen da gemacht hat, da ist er im Prinzip ja schon wieder weiter. Es geht eben um diese Gesamtheit. Man kann nicht sagen, ab dem und dem Punkt ist es Kunst. Das geht nicht. 

Gebhard: Wir haben ja mittlerweile einen Kunstbegriff, der so offen ist, dass wir von Qualität weg sind, wir sind weg vom künstlerischen Können, sondern es geht im Prinzip darum, dass Künstler sich als Wahrnehmungsfilter begreifen. Dass sie die Welt aufnehmen und durch ihren eigenen Filter laufen lassen und damit den Menschen Bilder zeigen, die durch sie hindurchgefiltert sind. Wie man damit umgeht, was man drin sieht, ob das einen abstößt oder man es toll findet oder was auch immer, das ist damit noch nicht gesagt. 

Hofmann: Der Zweck ist auch egal. Es kann ja politische Kunst sein.

Gebhard: … und da hat Allen es genauso gemacht. Der hat die KI als seinen Filter benutzt, beziehungsweise er hat seinen eigenen Filter über diese KI laufen lassen. 

Hofmann: Genau. Und da zu fragen, wo der künstlerische Prozess anfängt, ist unmöglich zu sagen. Ob allein schon der Gedanke „Ich benutze die KI“, ist vielleicht auch schon der künstlerische Prozess. Ich glaube nicht, dass man diese Frage eindeutig beantworten kann.  

Gebhard: Und ich glaube auch nicht, dass alle Illustratoren ihren Job verlieren. Das würde ja bedeuten, dass man sich völlig auf den Zufall verlässt. 

Hofmann: Eine KI kann ja auch keinen Witz in das Bild reinbringen. Wenn zum Beispiel eine Graphic Novel richtig gut sein soll, eine Lebenserfahrung dahinter sein soll, dann muss der Künstler die Umwelt beobachten, das Leben beobachten, wie das soziale Miteinander funktioniert. Das sind Erfahrungen, die ein Künstler einfließen lässt, und das kann eine KI eben nicht. Deswegen werden Illustratoren niemals ihren Job verlieren. Die Schallplatte war schon totgesagt. Hat jetzt höhere Verkaufszahlen als jemals zuvor. Anfangs hat man immer Angst vor Neuem, aber die Geschichte lehrt einem, dass es nicht so ist. Was machen denn Grafiker? Die haben einen Computer und sie arbeiten nur mit Programmen und deren Bausteinen, also verschiedene Schriftarten, Brushes und all die Tools, die ihnen die App zur Verfügung stellt. 

Gebhard: Versetz dich mal in die Rolle eines Grafikers, der ein Cover entwerfen soll. Der hat eine Deadline, und wenn er nun über 100 Varianten eines Bildes von einer KI entwerfen lässt, bis er das hat, was er will, da weiß ich nicht, ob es besser wäre, er würde es selbst direkt zeichnen. Natürlich ist es mehr Handarbeit, die er leisten muss, aber er kann direkter arbeiten. 

Hofmann: Er arbeitet in dem Fall dann eben mit Worten. Aber er hat ja die Bilder schon im Kopf. Das kann man der KI ja beschreiben, aber es muss dann noch immer verändert werden, weil irgendwas nicht passt oder nicht so ist, wie das Bild im Kopf. Also beginnt der künstlerische Prozess bereits vor dem Einsatz dieser KI, bevor man diese Worte tippt. Das ist ein Dauerprozess. 

Gebhard: Nach menschlichen Gesichtspunkten ist diese KI wahrscheinlich saudoof, die nicht versteht, was sie da macht. Sie setzt Dinge zusammen, die man ihr vorher antrainiert hat, aber letzten Endes hat sie kein Bewusstsein darüber, was sie da macht. Solange das nicht gegeben ist, ist das kein Produkt, das ernsthaft eine Gefahr für einen Künstler sein könnte. Natürlich kann ich mir vorstellen, dass Künstler diese KI benutzen, um sich den Job einfacher zu machen oder dass ein Verlag auf die Idee kommt zu sagen, oh, jetzt brauchen wir keine Grafiker mehr, aber auf die Dauer wird man merken, dass das, was da rauskommt, recht seicht ist. 

Hofmann: Es läuft auf Austauschbarkeit hinaus. Die Individualität eines Menschen spielt ja eine große Rolle, und das ist hier nicht gegeben. Ich glaube, das ist für Obi eine tolle Nummer. Die drucken das dann auf ihre Dekoartikel für Leute, die keine Ahnung von Kunst haben (lacht). Das ist dann Massenware auf Knopfdruck. Aber dauerhaft für Menschen, die visuelle Ansprüche haben, wird das nicht funktionieren. 

Gebhard: Und vor allem auch nicht für Künstler selber, die das Bedürfnis haben, sich selbst auszudrücken, dieser Filter zu sein, durch den die Welt durchläuft. Wenn man diesen Prozess völlig abgibt, dann würde mir etwas fehlen, würde mich hohl fühlen. Da würde ich mich wieder zurückbesinnen und den Pinsel selbst in die Hand nehmen und mich durch mein Material zu wühlen. 

Hofmann: Es ist eine schöne Spielerei, aber es wird sich nicht durchsetzen. Dazu hat es zu wenig. 

Gebhard: Andersrum könnte es durchaus als Inspirationsmedium funktionieren. Was spuckt mir diese KI aus, und von da aus mache ich weiter, mache neue Bilder. 

Hofmann: In dem Bild von Allen hat er Barock verwendet, sieht aus wie Rembrandt. Aber wenn man sich die Originale anschaut, dann sieht man einfach den Unterschied. 

Gebhard: In die Kategorie passt es ja durchaus, es ist digitale Kunst. Interessanter würde es werden, wenn man der Maschine sagt, male das jetzt tatsächlich auf Leinwand oder auf Papier. Aber auch da sehe ich keinerlei Konkurrenz. 

Frage: Überspitz gefragt, wenn ich nun diese KI bediene, bin ich dann Künstler? 

Gebhard: Das kommt nur darauf an, wie du dich selbst definierst. Künstler sein ist ja kein Ausbildungsberuf, den man erlernen kann und ist dann zertifizierter Künstler. Es gibt natürlich das Diplom beim Abschluss der Kunstakademie, aber ob man damit zum Künstler wird, weiß ich nicht (lacht). Es ist eher eine Frage der Lebenshaltung. Du bist dann Künstler, wenn du Künstler sein willst, unbedingt, ohne Kompromisse. 

Frage: Welche anderen „Zutaten“ gehören denn sonst noch zu Kunst, außer die Lebenseinstellung? Talent?

Hofmann: Das ist auch eine schwierige Frage. Früher sagte man, Kunst ist Handwerk. Man kann auch talentfrei Künstler sein (lacht). Das ist keine Voraussetzung. Aber, der unbändige Wille, schöpferisch tätig zu sein, das ist eine, wenn nicht gar die Voraussetzung. Aus dir heraus etwas Neues zu schaffen. Mit welchen Mitteln, das ist egal. 

Gebhard: Wenn man da eine Grundkomponente zuordnen müsste, würde ich sagen: Bilder machen, und zwar auch im erweiterten Sinne. Also nicht nur als Flachware. Wir sehen ja die ganze Welt in Bildern. Künstler machen Bilder, um über diese Welt nachzudenken und mit den Menschen über diese Bilder in Kommunikation zu treten. Das ist ja nicht an eine bestimmte Technik gebunden, auch nicht an Talent, sondern das ist einzig und allein daran festzumachen, dass jemand es tut. Man kann im Internet und in der echten Welt auf Künstler oder keine Künstler treffen. Man kann selbst Künstler sein, ohne dass man sich selbst so bezeichnet. Wenn ich es schaffe, Bilder auf eine Art zu erzeugen, die andere Leute nicht als Kunst ansehen, kann es dennoch eine Art von Kunst sein. 

Hofmann: Genau das meinte ich mit der schöpferischen Tätigkeit. Man macht neue Bilder. Kunst ist ja unabhängig vom Erfolg. Man ist ja nicht dann Künstler, wenn man mit seinen Bildern Geld verdient. Das ist kein Kriterium fürs Künstlersein. 

Gebhard: Wir haben ja eine ganz klare Entwicklung: Im 19. Jahrhundert herrscht dieses akademische Bild vor, dass man tatsächlich mit richtig und falsch arbeiten könne, dass es Konventionen gäbe, die man einhalten müsse, um qualitativ hochwertige Kunst zu erschaffen. Und dagegen rebellierten manche Leute. Das reißt den Kunstbegriff völlig auseinander. Die Künstler der Moderne haben dann genau das gemacht: Sie haben den Kunstbegriff auseinandergenommen, gedehnt, erweitert, gesprengt, wollten aus diesem Begriff aussteigen. Und dadurch machten sie den Kunstbegriff so breit, so weit, dass nichts mehr von diesen Kriterien übrigblieb. 

Hofmann: Es gibt keine Grenze mehr. Es geht immer weiter. Es ist eben dieses von sich aus Bilder erschaffen, sich für ein paar Sekunden wie Gott zu fühlen (grinst). Ich weiß, es klingt merkwürdig, aber man erschafft ja eine völlig neue Welt, man erschafft etwas aus dem Nichts heraus. Das ist schon ein wenig wie Gott zu sein. So empfinde ich das zumindest manchmal. 

Gebhard: Kann ich so unterschreiben. Und Qualität… ich weiß nicht, woran man das festmachen soll. Sieht das Bild besonders realistisch aus? Das ist ein willkürliches Kriterium. Auch Erfolg ist kein Maßstab für eine Künstlerkarriere. 

Hofmann: Genau. Was ist denn Erfolg? Wenn du mit deiner Kunst eine Million im Jahr verdienst oder wenn du sagst, das, was ich erschaffen habe, ist gut genug für mich? Letzteres ist doch schon ein Erfolg. 

Gebhard: Klar, wenn man finanziell von seiner Kunst abhängig ist, ist das eine ganz andere Frage. Wenn man da Angst hat, dass einem die KI den Arbeitsplatz wegnimmt, so wie in den Zeiten der Industrialisierung oder die Roboter in der Autoindustrie, dann muss man sich einfach vor Augen führen, dass hier eine andere Komponente hinzukommt, die diese KIs einfach nicht leisten, und das ist Bewusstsein haben. Das kann man nicht messen, aber…

Hofmann: … das spürt der Betrachter in den Bildern. Wer sich mit Kunst beschäftigt, der spürt das. Diese Leute wollen dann eben keine Illustration von einer KI sehen, denen fehlt dann irgendwas. Da fehlt der Mensch dahinter. 

Frage: Um einige eurer Aussagen nochmal zu bündeln: Gibt es für euch etwas, bei dem ihr sagt, das ist für mich schlechte Kunst oder sogar gar keine Kunst? 

Gebhard: Das ist schwierig. Ich würde es so formulieren: Es gibt Dinge, auf die kann ich mich einlassen und auf einige eben nicht. Das hat nichts mit Qualität zu tun, sondern mit persönlichen Vorlieben und auch mit meinen Seh-Erfahrungen und Vorerfahrungen, die ich mitbringe, die ich an diesem Bild anwenden kann. 

Hofmann: Ich könnte das nicht so klar beantworten. (Überlegt) Es ist etwas sehr Individuelles. Ich sehe vielleicht in Bildern etwas, in denen Herr Gebhard gar nichts sieht (beide lachen). Trotzdem glaube ich, dass wir beide erkennen, ob in einem Bild etwas dahintersteckt. Wo so eine Kraft da ist, die man spüren kann. 

Gebhard: Ja, so ein Gespür: Da ist jemand hinter diesem Bild, der will was, wenn jemand etwas geschaffen hat, das in sich stimmig ist. 

Hofmann: Genau das meinte ich, Authentizität und Intensität. Das spürt man. 

Gebhard: Wenn man solch eine Ausbildung auf der Kunstakademie durchlaufen hat, dann stimmen die Leute meistens überein, dass man in bestimmten Bildern etwas spüren kann. Das kann man schwer in Worte fassen. Und das ist auch etwas, das kann man keiner Maschine beibringen, solch ein Bild zu erschaffen. Das ist etwas, das tatsächlich mit dem Mensch-Sein zu tun hat. Das Ringen mit sich selber und mit der Welt und etwas erschaffen zu wollen. 

Hofmann: Das erinnert mich an das, was Max Bense in den 70ern versucht hat. Der hat wollte einer Maschine beibringen, anhand von Kriterien Kunst zu bewerten, und Picasso ist da durchgefallen, der aber nach wie vor das Künstlergenie des 20. Jahrhunderts ist. nach Bense hätte dieser Picasso in der Kunstgeschichte gar nicht auftauchen dürfen. Das ist das perfekte Beispiel dafür: Man kann also nicht sagen, nach den und den Kriterien ist dies und das entweder gute oder schlechte Kunst. 

Gebhard: Genau. Diese Kriterien gibt es nicht. Aber wenn ich durch eine Ausstellung gehe, dann kann ich schon sagen, ob die Bilder für mich stimmig sind oder nicht, aber warum das so ist, kann ich nur schwer in Worte fassen. 

Hofmann: Du kannst sogar zwei Bilder von ein- und demselben Künstler haben und in dem einen Bild passt es einfach nicht zusammen und das andere Bild ist einfach ein Spitzenbild.   

Gebhard: Mein Professor sagte mir mal, dass er einen ziemlich hohen Ausschuss hat. Also er produziert und produziert, manche Bilder davon wählt er aus und der Großteil davon landet in der Tonne. 

Frage: Was ist euer Schlusswort als Künstler, die einer Welle von KI-generierten Bildern entgegenstehen? 

Hofmann: Das wird eine neue Erfahrung für Künstler sein, mit diesem neuen Werkzeug umzugehen. Aber es endgültig zu bewerten, ob es überhaupt funktioniert, ob es Bestand haben wird, ist jetzt noch nicht absehbar. Ich selber prognostiziere, dass es keinen Bestand haben wird als künstlerisches Produkt oder als Hilfe für Künstler, aber… hm… Es werden sich bestimmt einige damit beschäftigen, aber ich denke, für so eine Beurteilung ist es noch zu früh. 

Gebhard: Ich kann mir schon vorstellen, dass es für manche ein interessantes Medium ist, um damit umzugehen. Als Video aufgekommen ist und Künstler herumexperimentiert und versucht haben, eine eigene Sprache in diesem Medium zu finden, oder als Virtual Reality aufgekommen ist, gab es erste Experimente von Künstlern, die in diesem Raum gearbeitet haben. Aber selbst da ist noch keine Sprache gefunden worden, die wirklich als künstlerisches Ausdrucksmedium funktioniert, als dass man sagen könnte, das ist jetzt stimmig. Das wird sich mit der Zeit zeigen, ob es als Medium funktioniert. Von daher bringe ich dem als Künstler mildes Interesse entgegen (grinst). 

Vielen Dank für das tolle Gespräch!